Clik here to view.

Gestern hielt Großbritanniens Premierminister David Cameron seine lang angekündigte „Große Rede zu Europa“. Dabei stellte er explizit die Möglichkeit in Aussicht, dass Großbritannien und Europa sich bald endgültig trennen könnten.
„Die EU bewegt sich in eine Richtung, von der zu Beginn nie die Rede war“, sagte Cameron. Seine Forderungen: Mehr Flexibilität, weniger Einfluss von Brüssel auf die nationalen Kompetenzen, besonders in Arbeits- und Marktpolitik, mehr Fokus auf die europäische Wettbewerbsfähigkeit, Fairness gegenüber den Ländern, die nicht in der Währungsunion sind. Ob Großbritannien nach diesen Verhandlungen in der EU bleiben werde, soll das Volk entscheiden. Alles sofern er, Cameron, bei den 2015 anstehenden Parlamentswahlen wiedergewählt wird.
DER MEINUNGSKOMPASS
CAMERONS REDE
Image may be NSFW.
Clik here to view.
DER SCHLAGABTAUSCH
Image may be NSFW.
Clik here to view.Die britische Financial Times ist in Rage. Verrückt von Cameron, Großbritannien in diese Wackelposition zu bringen! Nicht nur schadet es massiv dem Marktvertrauen, sondern hat Europa auch gerade genug anderes zu tun, als Reformen zu diskutieren. Die Rede hat in Europa Widerwillen gegen den britischen Partner und unkontrollierbare Folgen ausgelöst. Es wäre kein Wunder, wenn die EU-Partner den Briten den Weg aus der Tür weisen. Da habe man den Salat. Camerons Salat.
Image may be NSFW.
Clik here to view.Auch The Economist glaubt, dass Camerons Forderungen weit von der europäischen Wirklichkeit entfernt sind. Drüben auf dem Kontinent herrscht das Paradigma des Zusammenhalts, vor allem gefördert durch die Partner Deutschland und Frankreich. Dass Cameron gerade jetzt den Graben zwischen Großbritannien und Europa so vertiefen muss, wird der Staatenbund missbilligen.
Image may be NSFW.
Clik here to view.Falsch – tönt es aus den Zeilen der Times: Cameron hat faktische Probleme der EU erläutert, die sie zusammen mit Großbritannien lösen muss. Merke: Zusammen!
Image may be NSFW.
Clik here to view.Der britische Partner ist wertvoll und seine Anstöße bedenkenswert, meint die Süddeutsche Zeitung.Nein, man darf Großbritannien jetzt nicht „die Kalte Schulter zeigen“. Die Rede hat die Kraft, Europa zur dringend notwendigen Selbstreflektion zu zwingen. Mehr Europa ist nicht unbedingt das bessere Europa. Will man, zum Beispiel, diese „planwirtschaftliche Mentalität“ Brüssels? Europa braucht die Briten und Europa braucht Reformen. Die deutschen und französischen „Integrationisten“ dürfen die Briten nicht wie ein „Schmuddelkind“ an den Rand, sondern müssen sie „in das Zentrum der europäischen Debatte“ stellen. Nur so ist Europa überlebensfähig.
Image may be NSFW.
Clik here to view.Trotz des „leicht erpresserischen“ Charakters Camerons Ansprache rät die FAZ Europa, sich seine Bedingungen sehr zu Herzen zu nehmen. Es ist falsch, sich an die unhinterfragte Lissabon-Präambeln zu klammern. Immer mehr europäische Integration schließt nicht-europäische Staaten aus. Die Wettbewerbsfähigkeit darf nicht unter den diskutierbaren Regulierungen leiden. Eine „immer engere Union“ gefährdet die europäische Vielfalt. „Das europäische Kunststück muss sein, diese Flexibilität mit Verbindlichkeit zu kombinieren.“
Image may be NSFW.
Clik here to view.Aber was, wenn es Cameron eigentlich überhaupt nicht um Europa ging? Die Rede war innenpolitisches Kalkül, glaubt die TAZ. Die europäische Unruhe, die er mit seiner Ansprache erzeugt hat, ist für den Premier Nebensache. Mit unkonkreten Forderungen und einem großen Zeitfenster hat er sich lediglich Zeit verschafft und den Druck aus seiner Partei gelindert. Hat er auch nur einen Moment über die wirtschaftlichen Konsequenzen seines neuen Kurses nachgedacht? Großbritannien, für viele Unternehmen „die Tür in die EU“, wird zum europäischen Wackelkandidaten. Das wird Investoren verschrecken. Cameron könnte seine Rede „am Ende doch noch bedauern.“
Image may be NSFW.
Clik here to view.Auch der britische Guardian hält einen Austritt aus der EU für reinen Wahnwitz. Die Rede hatte vor allem den Zweck, die Euroskeptiker der Partei zu beschwichtigen. Jetzt hat Cameron europaweite Missgunst ausgelöst und höchstwahrscheinlich den Markt langfristig destabilisiert Hat es irgendjemandem genützt? Man sollte sich besser als konstruktives aktives Mitglied einbringen, als Extrawünsche zu diskutieren. Am Ende wird das Volk ohnehin für einen Verbleib in der Union stimmen – hofft jedenfalls der Guardian.
Image may be NSFW.
Clik here to view.Die österreichische Presse hofft es nicht. Austritt? „Eine ganz hervorragende Idee, Mr. Cameron“. Entweder, die Briten spielen nach europäischen Spielregeln und bringen sich konstruktiv für tiefgreifende Reformen ein, oder sie sollen raus. Die Beziehung ist ohnehin „zerrüttet“, das Land hat sich seit Jahren „zum Klumpfuß der Gemeinschaft entwickelt.“ Europa braucht keine Bremsfaktoren wie Großbritannien.
Und in der Politik? Zumindest Angela Merkel reagierte gelassen. Das alles habe man schon gehört, erwiderte sie auf Camerons Rede angesprochen. Und: derzeit könne sich Großbritannien also einen Euro-Beitritt wohl nicht vorstellen.
Meinungen selektiert, komprimiert und interpretiert von pressekompass
Bild: Andreas A.E. Uhlhorn/ pressekompass
The post David Camerons Rede zu Europa appeared first on pressekompass.